Ein neuer Tag. Eine Frau und ihr Schatten im sonnigen Gegenlicht eines Fensters. Schritte auf knarrenden Dielen, ein Duschvorhang – ruhige morgendliche Routine. Eine erregte weibliche Stimme aus dem Off erhebt sie zum „one of the happiest moments in my life“. – So beginnt THANKS.
Der Film wird die Frau im Weiteren begleiten. Nahsichtig folgt das Kameraauge unauffälligen Beiläufigkeiten: in die heimelige Gemütlichkeit einer Wohnung, in lichtdurchflutete Zimmer mit blühenden Pflanzen, auf den Baumarktparkplatz, zum Spaziergang in sonnig-verschneiter Landschaft, zur Familienfeier, in die Galerie. Es beobachtet beim Kochen für zwei, beim Job der Künstlerexistenz, beim Zahnarzt, beim gemütlichen Filmschauen zu Hause, im Bett eines Hotelzimmers, in einer öffentlichen Toilette …
Die Schlichtheit des normal Alltäglichen in den aneinandergereihten dokumentarischen Notationen kontrastiert mit den eingeblendeten Schauspielerinnenstimmen und ihrer teils aufgebrachten Emotionalität, über deren Echtheit der Schatten eines Zweifels liegt. In den passierenden Szenen sind sie der Protagonistin meist direkt in den Mund gelegt. Teils hoch emotional wird Danke gesagt. – Oder gedacht? Erst nach einer Weile verrät ein Musikschnipsel, dass es sich hierbei um Ausschnitte von Oscar-Verleihungen handelt. – Sonst herrscht Stille. Bis auf wenige Nebengeräusche scheint die Frau jenseits jeden Getöses ganz bei sich zu sein. Diese Ruhe und die vernehmbaren Worte konfrontieren über ihren spannungsvollen Gegensatz: Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird herausgefordert, das Empfinden derweil in ein vielschichtiges Assoziationsgebäude gelenkt.
THANKS zeigt das Porträt eines Menschen in puzzlestückhaften Nahaufnahmen – sei es über seine Begegnungen, Berührungen, gemeinsam mit anderen verbrachte Zeit, geteilte Mahlzeiten, inmitten seines momentanen Umfelds oder zurückgezogen, auf sich selbst gestellt in Gedanken, mit unsichtbaren Versehrtheiten und Stimmungslagen. In lakonischer Melancholie, teils auch ironisch anmutend und damit jede Schwere aufbrechend, reihen sich Notwendigkeiten und Bedürfnisse aneinander. Darin: Sonne, immer wieder Sonne.
Eine stringente Geschichte im Hollywood-Sinn wird mit THANKS nicht erzählt. Vielmehr gemahnen die stillen und unperfekten Bilder Petra Lottjes zum Innehalten. Sie lenken den Fokus auf kaum spektakuläre Nicht-Ereignisse, auf Kleinigkeiten, auf Momente eines Lebens. Die aus dem Kontext der „Traumfabrik“ gelösten Off-Stimmen legen sich hingegen mit aufgeladener Aura wie Gedankenglitter über das Gezeigte. Aus dem Munde der zumeist regungslos wirkenden Protagonistin schwankt die Konnotation der Worte von persönlichem Zwiegespräch über den Ausdruck von Zweifel bis zu appellativer Aufforderung. Die Film-Ton-Collage verdichtet sich zu einem mehrdimensionalen Stimmungsbild aufmerksamer Bewusstheit. Wer möchte, kann hier durchaus Humor entdecken. Angesprochen sind am Ende alle, das Dasein aller, das echte Leben jedes Einzelnen. Du und ich fallen ineinander. In der Realität der meisten ist Glamour eher selten, ein pompöses Auditorium gibt es nicht, selten genug „Publikum“, das teilhat.
Bewusst sein bedeutet, wahrzunehmen. – THANKS von Petra Lottje erzählt genau davon. Entlang kleiner Begebenheiten, ganz ohne fiktiven Handlungsfaden fügt sich eine Geschichte vom Wahrnehmen, vom Bewusstsein, vom bewussten Sein, vom Alleinsein sowie allein vom Sein – und von schönen Wachsekunden, die der Blindheit des Augenblicks entgingen.
Der Film entlässt in Demut. Das große, womöglich immerwährende Glück, wie es die Kinoleinwand mitunter erschafft, bleibt die pathetische Illusion einer ganz weltlichen Unterhaltungsindustrie. Wirklich glücklich darf sich dagegen schätzen, wer die unscheinbaren echten Momente des eigenen Lebens nicht verpasst.
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Katrin Günther: THANKS
Ein neuer Tag. Eine Frau und ihr Schatten im sonnigen Gegenlicht eines Fensters. Schritte auf knarrenden Dielen, ein Duschvorhang – ruhige morgendliche Routine. Eine erregte weibliche Stimme aus dem Off erhebt sie zum „one of the happiest moments in my life“. – So beginnt THANKS.
Der Film wird die Frau im Weiteren begleiten. Nahsichtig folgt das Kameraauge unauffälligen Beiläufigkeiten: in die heimelige Gemütlichkeit einer Wohnung, in lichtdurchflutete Zimmer mit blühenden Pflanzen, auf den Baumarktparkplatz, zum Spaziergang in sonnig-verschneiter Landschaft, zur Familienfeier, in die Galerie. Es beobachtet beim Kochen für zwei, beim Job der Künstlerexistenz, beim Zahnarzt, beim gemütlichen Filmschauen zu Hause, im Bett eines Hotelzimmers, in einer öffentlichen Toilette …
Die Schlichtheit des normal Alltäglichen in den aneinandergereihten dokumentarischen Notationen kontrastiert mit den eingeblendeten Schauspielerinnenstimmen und ihrer teils aufgebrachten Emotionalität, über deren Echtheit der Schatten eines Zweifels liegt. In den passierenden Szenen sind sie der Protagonistin meist direkt in den Mund gelegt. Teils hoch emotional wird Danke gesagt. – Oder gedacht? Erst nach einer Weile verrät ein Musikschnipsel, dass es sich hierbei um Ausschnitte von Oscar-Verleihungen handelt. – Sonst herrscht Stille. Bis auf wenige Nebengeräusche scheint die Frau jenseits jeden Getöses ganz bei sich zu sein. Diese Ruhe und die vernehmbaren Worte konfrontieren über ihren spannungsvollen Gegensatz: Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird herausgefordert, das Empfinden derweil in ein vielschichtiges Assoziationsgebäude gelenkt.
THANKS zeigt das Porträt eines Menschen in puzzlestückhaften Nahaufnahmen – sei es über seine Begegnungen, Berührungen, gemeinsam mit anderen verbrachte Zeit, geteilte Mahlzeiten, inmitten seines momentanen Umfelds oder zurückgezogen, auf sich selbst gestellt in Gedanken, mit unsichtbaren Versehrtheiten und Stimmungslagen. In lakonischer Melancholie, teils auch ironisch anmutend und damit jede Schwere aufbrechend, reihen sich Notwendigkeiten und Bedürfnisse aneinander. Darin: Sonne, immer wieder Sonne.
Eine stringente Geschichte im Hollywood-Sinn wird mit THANKS nicht erzählt. Vielmehr gemahnen die stillen und unperfekten Bilder Petra Lottjes zum Innehalten. Sie lenken den Fokus auf kaum spektakuläre Nicht-Ereignisse, auf Kleinigkeiten, auf Momente eines Lebens. Die aus dem Kontext der „Traumfabrik“ gelösten Off-Stimmen legen sich hingegen mit aufgeladener Aura wie Gedankenglitter über das Gezeigte. Aus dem Munde der zumeist regungslos wirkenden Protagonistin schwankt die Konnotation der Worte von persönlichem Zwiegespräch über den Ausdruck von Zweifel bis zu appellativer Aufforderung. Die Film-Ton-Collage verdichtet sich zu einem mehrdimensionalen Stimmungsbild aufmerksamer Bewusstheit. Wer möchte, kann hier durchaus Humor entdecken. Angesprochen sind am Ende alle, das Dasein aller, das echte Leben jedes Einzelnen. Du und ich fallen ineinander. In der Realität der meisten ist Glamour eher selten, ein pompöses Auditorium gibt es nicht, selten genug „Publikum“, das teilhat.
Bewusst sein bedeutet, wahrzunehmen. – THANKS von Petra Lottje erzählt genau davon. Entlang kleiner Begebenheiten, ganz ohne fiktiven Handlungsfaden fügt sich eine Geschichte vom Wahrnehmen, vom Bewusstsein, vom bewussten Sein, vom Alleinsein sowie allein vom Sein – und von schönen Wachsekunden, die der Blindheit des Augenblicks entgingen.
Der Film entlässt in Demut. Das große, womöglich immerwährende Glück, wie es die Kinoleinwand mitunter erschafft, bleibt die pathetische Illusion einer ganz weltlichen Unterhaltungsindustrie. Wirklich glücklich darf sich dagegen schätzen, wer die unscheinbaren echten Momente des eigenen Lebens nicht verpasst.
Katrin Günther 2016